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Schelling – Edition und Archiv

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Wissenschaftliches Engagement für eine zuverlässige Überlieferung

Im Zweiten Weltkrieg waren viele wertvolle Kulturgüter zerstört worden, unter ihnen zahlreiche alte Bücher und Manuskripte. Im Bewusstsein dieser großen Verluste wurden in den folgenden Jahren wichtige Editionen auf den Weg gebracht. Dies geschah in einer Zeit, in welcher der Ost-West-Konflikt entstand. In diesem Konflikt wurde ebenso politisch gekämpft wie auch um das geistige Erbe Europas, besonders die Philosophie des Deutschen Idealismus, welche einerseits als geistiger Wegbereiter für Marx, andererseits für eine freiheitliche Staatsordnung beansprucht wurde. Man wollte sich in diesem Streit auf zuverlässige Texte berufen können und edierte folglich. So wurde zuerst die Hegel-Ausgabe, dann die Fichte-Ausgabe begründet.

Schließlich initiierten die beiden Forscher Horst Fuhrmans und Hermann Zeltner die Schelling-Ausgabe. Sie gewannen für ihr Vorhaben Alois Dempf, der die Gründung der Schelling-Kommission im Jahr 1968 vorantrieb und deren erster Vorsitzender wurde. Ihm folgte 1973 Hermann Krings. Herausgeber der Ausgabe wurden Hans Michael Baumgartner, Wilhelm G. Jacobs, Hermann Krings und Hermann Zeltner.

Fuhrmans und Zeltner hatten ein DFG-Stipendium erwirkt, das 1969 auslief, dann dauerte es noch bis 1972, dass die Akademie eine Stelle einrichtete. Drei von der DFG gewährte Stellen kamen hinzu. Der Verlag frommann-holzboog, der schon die Fichte-Ausgabe verlegte, übernahm auch das Verlegen der Schelling-Ausgabe. Sie war angelegt als historisch-kritische und wurde auch deutlich so deklariert.

Dem wissenschaftlichen Austausch einen tragfähigen Boden bereiten

Zunächst wurde die Werkereihe in Angriff genommen, denn der allergrößte Teil des Nachlasses lag in der Akademie der Wissenschaften der DDR, heute Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Auf diese Materialien war zunächst kein Zugriff möglich. Es war deshalb von größter Wichtigkeit, dieser Akademie zu vermitteln, dass man sachlich, eben historisch-kritisch edieren und damit jeden persönlich auslegenden Kommentar vermeiden wollte, um so – wie es auch gute Praxis im Edieren ist – der interpretierenden Auslegung einen zuverlässigen Boden zu bereiten. Die ersten Bände, ab 1976 erscheinend, überzeugten. Infolgedessen erhielt die Kommission nach und nach Filme des Nachlasses.

Die Werke-Reihe

Die Arbeit konzentrierte sich zunächst auf die Werke-Reihe (I). Hier bereiteten die naturphilosophischen Schriften (Bde. I 5–9) erhebliche Probleme, weil sich Schelling ausführlich auf die seinerzeitige Naturwissenschaft bezieht, die heute nur noch Fachleuten bekannt ist. Ein schlichtes Zitat genügt zur Erklärung nicht, da es einem für den heutigen Philosophen fremden Kontext entstammt, also selbst erklärungsbedürftig ist. Aus mehreren diskutierten Möglichkeiten ergaben sich zwei Alternativen: entweder die nötigen Zitate mit Erklärungen der Editoren zu versehen oder einen wissenschafts­historischen Bericht zu verfassen, diesen der Edition beizugeben und bei den Zitaten auf ihn zu verweisen. Man entschied sich für letztere Möglichkeit. Auf diese Weise wurde Schellings Naturphilosophie als echte Auseinandersetzung mit der seinerzeitigen Entwicklung sichtbar, und so für die heutige Diskussion fruchtbar gemacht.

Die Nachlass-Reihe

Die Arbeit an der Nachlass-Reihe sollte mit den frühen Schriften beginnen. Als Pilotprojekt erschien 1994 »Timaeus 1794«, eine Reflexion des Studenten auf Platon und Kant, welche die alte Annahme, Schelling sei erst durch Fichte zum Philosophen geworden, eindrucksvoll widerlegt.

Der Nachlass des Studenten Schelling enthält unter anderem Manuskripte zur Exegese des Alten und Neuen Testamentes. Deren Edition erfordert Kenntnisse nicht nur des Hebräischen, sondern auch anderer semitischer Sprachen. So konnten für diese Aufgabe der evangelische Theologe Christian Danz und seine Mitarbeiter in Wien gewonnen werden. Der erste Band (II 3) erschien 2013. Für die hochkomplizierte Edition der Erlanger Vorlesungen (Band II 10) stellte sich Lore Hühn mit ihren Mitarbeitern in Freiburg zu Verfügung. Es waren dort zu verarbeiten: 1) ausführliche und 2) kurze Ausarbeitungen von Schellings Hand, 3) ein Druck der ersten Vorlesungen durch Schellings Sohn, 4) zwei Nachschriften von Hörern. 

Wie hier, so wurden auch in anderen Fällen neue Texte, besonders Nachschriften Schellingscher Vorlesungen gefunden. Die Funde, so erfreulich sie sind, bedeuteten eine unvorhersehbare neue Arbeitsbelastung, da sie zumindest zu entziffern waren und über ihren Eingang in die Edition entschieden werden musste.

Übergang in das 21. Jahrhundert

Seit dem Jahr 2000 vollzogen sich im Kreis der am Projekt beteiligten Personen einige Änderungen. Im Jahr 2001 schied der Vorsitzende Hermann Krings aus dem Amt, Gerhard Neumann übernahm den Vorsitz bis 2009, bis 2016 war Frank Büttner Vorsitzender. Von 2016 bis 2020 war Jörg Jantzen Projektleiter. In den letzten sieben Jahres des Projekts trugen folgende Mitarbeiter in München maßgablich zum erfolgreichen Abschluss der Edition bei: Christoph Binkelmann (Sekretär), Patrick Leistner, Vicki Müller-Lüneschloß, Ives Radrizzani und Daniel Unger.